Zusammenfassung des Urteils MUV 2014/1: Versicherungsgericht
A. A. beantragte Mutterschaftsentschädigung, nachdem sie sich selbstständig gemeldet hatte, aber die Sozialversicherungsanstalt lehnte ab. A. argumentierte dann, dass sie Anspruch auf Arbeitslosengeld hätte, was zu Mutterschaftsentschädigung führen sollte. Die Beschwerdegegnerin lehnte die Beschwerde ab, da A. nicht mehr selbstständig tätig war. Das Gericht stellte fest, dass A. zum Zeitpunkt der Geburt nicht mehr erwerbstätig war und wies die Beschwerde ab.
Kanton: | SG |
Fallnummer: | MUV 2014/1 |
Instanz: | Versicherungsgericht |
Abteilung: | MUV - Mutterschaftsversicherung |
Datum: | 02.07.2015 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | Entscheid Art. 16b Abs. 1 lit. c EOG. Mutterschaftsentschädigung. Da die Beschwerdeführerin ihre selbstständige Erwerbstätigkeit bereits vor der Niederkunft definitiv aufgegeben und sich bei der Ausgleichskasse abgemeldet hat, und auch nicht als arbeitslos gelten kann, besteht kein Anspruch auf Mutterschaftsentschädigung. (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 2. Juli 2015, MUV 2014/1).Aufgehoben durch Urteil des Bundesgerichts 9C_577/2015.Entscheid vom 2. Juli 2015BesetzungPräsidentin Lisbeth Mattle Frei, Versicherungsrichterinnen Christiane Gallati Schneider und Marie-Theres Rüegg Haltinner; Gerichtsschreiber Jürg SchutzbachGeschäftsnr.MUV 2014/1ParteienA. ,Beschwerdeführerin,gegenSozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen, Ausgleichskasse, Brauerstrasse 54, Postfach, |
Schlagwörter: | ändig; Mutterschaft; Anspruch; Mutterschaftsentschädigung; Erwerbstätigkeit; Geburt; Geschäft; Zeitpunkt; Niederkunft; Entscheid; Geschäfts; Beitragszeit; Sozialversicherungsanstalt; Gallen; Erwerbende; Rahmenfrist; Arbeitslosentaggelder; Mutterschaftsurlaub; Abmeldung; Aufgabe; Bezug; Begleitschreiben; Einsprache; Arbeitsverhältnis |
Rechtsnorm: | Art. 10 ATSG ;Art. 10 AVIG;Art. 12 ATSG ;Art. 9a AVIG; |
Referenz BGE: | 136 V 239; |
Kommentar: | - |
Gallen,Beschwerdegegnerin,GegenstandMutterschaftsentschädigungSachverhalt
A.
A. meldete sich am 5. November 2013 bei der Sozialversicherungsanstalt St. Gallen zum Bezug von Mutterschaftsentschädigung an. Sohn B. sei am _.
Oktober 201_ geboren worden (act. G 3.1/1.1). Im Begleitschreiben vom 6. November 2013 führte sie ergänzend aus, sie sei bis zum 31. August 2013 selbstständig erwerbend gewesen und habe somit bis einen Monat vor dem Geburtstermin gearbeitet. Sie werde ihre selbstständige Erwerbstätigkeit aus familiären Gründen nicht wieder aufnehmen (act. G 3.1/1.7).
Mit Verfügung vom 15. November 2013 wies die Sozialversicherungsanstalt St. Gallen das Gesuch ab, da sich die Versicherte per 31. August 2013 als selbstständig
Erwerbende abgemeldet habe und daher ab 1. September 2013 nicht mehr als solche gelte (act. G 3.1/2.1).
Mit Einsprache vom 27. November 2013 leitete die Einsprecherin nunmehr aus einem früheren Arbeitsverhältnis einen Anspruch auf Mutterschaftsentschädigung ab. Sie sei bis 31. Januar 2011 bei der C. GmbH angestellt gewesen. Gemäss Art. 9a Abs. 2 AVIG hätte infolge verlängerter Rahmenfrist für die Beitragszeit Anspruch auf Arbeitslosentaggelder bestanden. Im Zeitpunkt der Geburt sei sie arbeitslos im Sinn von Art. 29 lit. b EOV gewesen (act. G 3.1/3).
Mit Entscheid vom 7. April 2014 wies die Sozialversicherungsanstalt die Einsprache ab. Die Abklärung beim seco habe ergeben, dass im Zeitpunkt der Geburt die Mindestbeitragsdauer nicht erfüllt worden sei und daher kein Anspruch auf Entschädigung bestehe (act. G 3.1/12).
B.
Gegen diesen Entscheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vom 25. April 2014 mit dem sinngemässen Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Entscheids. Zudem sei der Beschwerdeführerin per 9. Oktober 2013 Mutterschaftsentschädigung auszurichten. Ein Anspruch auf Mutterschaftsentschädigung entstehe, wenn zum Zeitpunkt der Geburt ein Anspruch auf Arbeitslosentaggelder bestanden hätte. Dies sei bei ihr der Fall gewesen. Sie sei vom 1. Februar 2011 bis zum 31. August 2013 selbstständig erwerbend gewesen. Die Rahmenfrist für die Beitragszeit hätte sich somit gemäss Art. 9a Abs. 2 AVIG auf vier Jahre verlängert. In der Rahmenfrist vom
9. Oktober 2009 bis zum 8. Oktober 2013 verfüge sie über eine Beitragszeit von 15 Monaten und 22 Tagen. Somit hätte ein Anspruch auf Arbeitslosentaggelder bestanden, was gemäss Art. 16b Abs. 3 lit. b EOG i.V.m. Art. 29 lit. b EOV zu einem Anspruch auf Mutterschaftsentschädigung führe (act. G 1).
Die Beschwerdegegnerin verzichtet auf eine materielle Stellungnahme und beantragt Abweisung der Beschwerde (act. G 3).
Erwägungen:
1
Der Anspruch auf Mutterschaftsentschädigung setzt voraus, dass die Frau während der neun Monate unmittelbar vor der Niederkunft im Sinn des AHVG obligatorisch versichert war, in dieser Zeit mindestens fünf Monate lang eine Erwerbstätigkeit ausgeübt hat und im Zeitpunkt der Niederkunft Arbeitnehmerin im Sinn von Art. 10 ATSG selbstständig Erwerbende im Sinn von Art. 12 ATSG war im Betrieb des Ehemannes mitgearbeitet und einen Barlohn bezogen hat (Art. 16b Abs. 1 des Bundesgesetzes über den Erwerbsersatz für Dienstleistende und bei Mutterschaft [EOG], SR 834.1). Gemäss der gesetzlichen Regelung ist lediglich erforderlich, dass die Frau zum Zeitpunkt der Niederkunft eine selbstständige unselbstständige Erwerbstätigkeit ausübt (Art. 16b Abs. 1 lit. c EOG). Eine Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit nach Ablauf des 14-wöchigen bezahlten Mutterschaftsurlaubs ist nicht erforderlich. Es ist mithin nicht entscheidend, ob die Frau auch nach der Niederkunft noch erwerbstätig ist (vgl. auch das Kreisschreiben über die Mutterschaftsentschädigung [Kreisschreiben MSE], Ziff. 1050 und 1058).
2.
Vorliegend ist unbestritten, dass die Beschwerdeführerin ihre selbstständige
Tätigkeit per Ende August 2013 definitiv aufgegeben hat (vgl. Begleitschreiben vom
6. November 2013 zum Antrag auf Mutterschaftsentschädigung [act. G 3.1/1.7]).
Insbesondere wird nicht geltend gemacht und es ist nicht ersichtlich, dass über den
31. August 2013 hinaus auch nur die theoretische Möglichkeit der Wiederaufnahme der Geschäftstätigkeit gegeben war, indem etwa noch ein ungekündigtes Mietverhältnis der Geschäftsräume, weiter betriebene Telefonanschlüsse und weiter gültige Telefonbucheinträge vorhanden waren die Kundschaft über eine vorübergehende Einstellung des Geschäfts mit allfälliger Stellvertretung informiert wurde. Vielmehr impliziert das Schreiben vom 6. November 2013, dass auch die Geschäftsräumlichkeiten baldmöglichst aufgegeben wurden, da auch nur schon eine Teilzeittätigkeit nicht mehr rentabel gewesen wäre. Die Beschwerdeführerin war somit zum Zeitpunkt der Geburt definitiv nicht (mehr) erwerbstätig. Nachdem auf Grund ihres Schreibens vom 6. November 2013 kein Wille der Beschwerdeführerin erkennbar ist, und auch im vorliegenden Verfahren nicht geltend gemacht wird, das Geschäft nach dem 31. August 2013 bzw. nach dem Mutterschaftsurlaub weiterzuführen, würde sich am tatsächlichen Statuswechsel per Ende August 2013 auch nichts ändern, wenn etwa
die Kündigungsfrist für die Geschäftsräume noch über das Geburtsdatum hinaus angedauert hätte. Da somit von einer effektiven Geschäftsaufgabe per Ende August 2013 auszugehen ist, ist auch nicht erheblich, dass die Beschwerdeführerin ihre Erwerbstätigkeit glaubwürdig infolge der schwangerschaftsbedingten Arbeitsunfähigkeit vorzeitig aufgegeben hat. Indem die Abmeldung bei der Ausgleichskasse nicht nur pro forma erfolgte, sondern das Geschäft effektiv aufgegeben wurde, unterscheidet sich der vorliegende Fall grundlegend von anderen, bereits vom Bundesgericht entschiedenen Fällen (vgl. Entscheid E3/2006 vom
16. Januar 2008, in welchem trotz schwangerschaftsbedingter Einstellung der Tätigkeit
- jedoch unter Aufrechterhaltung der betrieblichen Infrastruktur - nicht von einer definitiven Aufgabe der selbstständigen Erwerbstätigkeit ausgegangen wurde; etwas schwächer allerdings der Entscheid 9C_44/2012 vom 12. April 2012, wo das Bundesgericht bereits aus dem Umstand, dass die Ansprecherin nach der Geburt Mutterschaftsurlaub beantragen wollte und keine Anhaltspunkte für die Aufgabe der selbstständigen Erwerbstätigkeit ersichtlich waren, auf das Fortbestehen dieser Tätigkeit und des entsprechenden Status geschlossen hatte [E. 3.2]).
Die Beschwerdeführerin führt sodann aus, sich der Folgen der Abmeldung nicht bewusst gewesen zu sein, macht aber nicht geltend, sie sei von der Beschwerdegegnerin mangelhaft beraten informiert worden. Mithin ist davon auszugehen, dass sie sich ohne vorgängige Konsultation bei der Ausgleichskasse als selbstständig Erwerbende abgemeldet hat. Aus der schriftlichen Abmeldung vom
4. September 2013 konnte die Beschwerdegegnerin ebenfalls keinen Beratungsbedarf erkennen, wies die Beschwerdeführerin doch nicht auf die bevorstehende Niederkunft als Grund für die Aufgabe der selbstständigen Erwerbstätigkeit hin (act. G 5.6). Die Anspruchsvoraussetzung des Art. 16b Abs. 1 lit. c Ziff. 2 EOG ist damit nicht erfüllt.
Die Beschwerdeführerin macht schliesslich geltend, sie sei zum Zeitpunkt der Geburt arbeitslos gewesen und verfüge aus ihrer früheren Anstellung bei der C. GmbH über genügend Beitragszeiten. Ob dies zutrifft, kann offen bleiben. Zwar verzichtet die bundesgerichtliche Rechtsprechung in Bezug auf den Anspruch auf Mutterschaftsentschädigung auf die Anspruchsvoraussetzung der kontrollierten Arbeitslosigkeit im Sinn von Art. 8 Abs. 1 lit. a AVIG i.V.m. Art. 10 Abs. 3 AVIG, d.h. auf eine Anmeldung beim RAV. Indessen muss auch hier materiell Arbeitslosigkeit
vorliegen (BGE 136 V 239 E. 2.1). Demgegenüber war die Beschwerdeführerin nie materiell arbeitslos, insbesondere auch nicht in den letzten 9 Monaten vor der Niederkunft, wie sie im Anmeldeformular selber bestätigt hat (act. G 3.1/1.2). So wechselte sie nach eigenen Angaben per 1. Februar 2011 nahtlos von der unselbstständigen in die selbstständige Tätigkeit (vgl. Beschwerde S. 2). Auch nach Beendigung der letzteren per 31. August 2013 bis zur Geburt am 9. Oktober 2013 war sie nicht materiell arbeitslos, suchte sie doch auch in diesem Zeitraum keine Stelle. Vielmehr gab sie die selbstständige Erwerbstätigkeit infolge der bevorstehenden Niederkunft auf. Die Beschwerdeführerin vermag somit aus dem früheren Arbeitsverhältnis bei der C. GmbH - unabhängig von der allenfalls erfüllten Beitragspflicht - nichts zu ihren Gunsten abzuleiten.
3.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen. Gerichtskosten sind keine zu er
heben (Art. 61 lit. a ATSG).
Entscheid
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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